logo st benedikt

Schaut hin.

Unter diesem Leitwort stand der 3. Ökumenische Kirchentag (13.-16. Mai 2021) in Frankfurt am Main – digital und dezentral.

Der Eröffnungsgottesdienst fand über den Dächern von Frankfurt statt – mit Blick auf die Türme der Stadt: Kaiserdom, Paulskirche und die Bankentürme. Die Liturgie war nach Kirchentagsart in verdauliche Happen zerlegt, die durch Musik unterbrochen und verbunden wurden. In der Predigt ermunterte der Prior von Taizé, Frère Alois, auf andere zuzugehen, besonders auf die Fremden in der Nachbarschaft.

Was diesem Kirchentag fehlte, war die Stimmung, das Gemeinschaftserleben in der Stadt, im öffentlichen Nahverkehr, auf den Grünflächen, aber auch in den Veranstaltungssälen: Keine Möglichkeit, ein kleines Gespräch zu beginnen, neue Leute kennenzulernen; wie die Zeitschrift CiG titelte: „Kirchentag auf dem Sofa“. Die sonst unglaubliche Vielzahl von Veranstaltungen war auf online-gängige Formate reduziert, aber immer noch so viele, dass die Teilnehmer:innen eine Auswahl treffen mussten. Vorteil dieses Mal: Die meisten Beiträge stehen auch noch zum Nachhören zur Verfügung.

Aus der Vielzahl der Bibelarbeiten greife ich ein Gespräch zur Heilung des Blindgeborenen heraus: In der gemeinsamen Betrachtung einer Imamin und einer Rabbinerin mit einer katholischen Professorin eröffneten sich überraschende neue Perspektiven auf die Erzählung, die dieses besondere interreligiöse Format so wertvoll machen.

Neben Bibelarbeiten, Gottesdiensten und Kulturveranstaltungen (darunter die Uraufführung des Oratoriums EINS von Kießig und Reulein) ist der thematische Teil großenteils noch erreichbar unter  https://www.oekt.de/mediathek – zum Starten der jeweiligen Beiträge klicken Sie am unteren Rand des zugehörigen Bildes auf das Startdreieck und müssen meist noch weiter rechts den Ton starten durch Klick auf die 5 Lautstärkebalken.
Die Thematik gliedert sich in 5 Hauptpodien und 10 Schwerpunkte. Einige Auszüge:

  • Bibelarbeit Maier/Söding zu Gen 6,12-22

Denken wir die Sintflut nicht als Ende, sondern als „great reset“, als neuen Anfang. Es steht nicht fest, dass „alles schon gut wird“; unsere Aufgabe ist, die G“ttesfrage wachzuhalten. G“tt denkt um, er ist wandelbar!

  • Üb‘-Er*Leben (= Leben üben)

Der Frankfurter Rabbiner Soussan erläuterte, nach dem Talmud sei Leid schlimmer als der Tod; nicht Leid sei erstrebenswert, sondern Freude. Eben dazu helfen die 613 Ge- und Verbote des Judentums, die nicht kontextlos verordnet werden, sondern jeweils im Zusammenhang einer Geschichte stehen, die verknüpft wird mit einer Handlungsanweisung; Erinnern --> Handeln. Bsp.: Aussatz kann gedeutet werden als Folge von übler Nachrede (im Hebräischen ist eine sprachliche Ableitung Aussatz von Nachrede möglich); die Ausschließung des Aussätzigen aus dem Lager erfolgt analog wie die üble Nachrede den Betroffenen aus der Gemeinschaft ausgeschlossen hat.
Ein weiteres talmudisches Anliegen: Profit in Krisenzeiten ist verboten.

  • Eucharistie und Abendmahl in ök. Sensibilität | „Gemeinsam am Tisch des HErrn“

Vertreter:innen verschiedener Kirchen (BEFG/Baptisten, EKD, Römisch-katholische Kirche, SELK/Alt-Lutheraner, Griechisch-orthodoxe Kirche: aus Würzburg Erzpriester Martinos Petzolt) erläuterten ihre Sichtweise auf Eucharistie/Abendmahl und die daraus folgenden Regeln bezüglich der Teilnahme von Mitgliedern anderer Kirchen und verbanden damit die Bitte, jeweilige Besonderheiten in sensibler gegenseitiger Wahrnehmung zu akzeptieren.

  • Neue Formen von Kirche

Als Beispiel wurde die Pommesbude als Austauschort vorgestellt. MEET’n FRITES ist eine Aktion der Steyler Missionarinnen in Frankfurt, die jeden zweiten Donnerstag Pommes verkaufen und dabei ins Gespräch kommen.

  • Friedenssicherung in einer unsicheren Welt

Kriege und Bürgerkriege sind tägliche grausame Realität in vielen Teilen der Erde. Hält die Selbstsicht der NATO als einer „Wertegemeinschaft freier demokratischer Staaten“ einer genaueren Prüfung stand? Wie stabil ist ihr Wertekonsens, wenn es um fundamentale Fragen geht?
Generalsekretär Stoltenberg stellte sich den Rückfragen von Politikwissenschaftlerinnen.

  • In welcher Welt wollen wir leben: Religiöse Vielfalt

Der Dialog der Religionen findet von Mensch zu Mensch statt! Als Aufhängepunkt fürs Gespräch eine Frage finden, um Augenhöhe herzustellen. Am 16. Mai ist Tag des Friedlichen Zusammenlebens: 16maytogether.de

  • Sichtbarkeit der Religionen in der Öffentlichkeit der pluralen Gesellschaft

Öffentliche Religionsausübung ist ein Grundrecht: Respektvolle Nicht-Identifikation des Staates ohne Privilegierung der Religionslosigkeit. Kirchen äußern sich öffentlich sowohl qua Institution als auch durch ihre Mitglieder und Repräsentant:innen, dabei wird innere Pluralität publik. Religion ist wesenhaft sichtbar. (Licht der Welt, Stadt auf dem Berg). Toleranz ist mehr als Duldung, ein respektvolles sich-Einlassen darauf, dass ein:e andere:r auch einen Wahrheitsanspruch vorträgt.

  • Zwischen Meinungsfreiheit und Hate Speech: Gesprächskultur im Netz

Wo bleibt die Gesprächskultur? Undifferenzierte Polarisierung führt zu Verrohung, digital-verbale Gewalt führt zu physischer Gewalt. Umgang mit (eigenen) politischen Äußerungen muss gelernt werden. „Silencing“, Selbstzensur, Abschalten sind verständliche Reaktionen auf shitstorms, aber keine Lösung. Mundtot-machen durch laute Minderheit gefährdet die Demokratie. Auch in den sozialen Medien sollten Widerspruch und Solidarisierung mit Opfern so selbstverständlich sein wie in der Trambahn oder anderswo im realen Raum. Hilfreich ist es, eigene „Truppen“ als Allianzpartner zu mobilisieren. Professionelle Hilfen bieten: hateaid.org und: HessengegenHetze.de.
Medienbildung der Kinder/Jugendlichen: Hope speech statt hate speech.

Schaut hin.

Dies konnte nur kleine Appetithappen aus dem Programm sein. Zum Glück haben Sie die Möglichkeit, ihre eigenen Schwerpunkte und Lieblingsveranstaltungen – wenn auch ohne Beteiligungsmöglichkeit – auf https://www.oekt.de/mediathek nachzusehen und nachzuhören.

Schaut hin.

Der musiklastige SchlussGottesDienst konnte am Mainufer im Freien mit anwesenden Teilnehmer:innen gefeiert werden. Als Würzburger Stimme am Kirchentag predigte gemeinsam mit einer methodistischen Pfarrerin die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Sr. Dr. Katharina Ganz OSF, die vehement Änderungen hinsichtlich der männlichen Dominanz in ihrer Kirche forderte. Am Ende wurde zu drei großen Ereignissen eingeladen:

  • Katholikentag in Stuttgart am 25.-29. Mai 2022,
  • Vollversammlung des Weltkirchenrats (ÖRK/WCC) am 31. August -8. September 2022 in Karlsruhe und
  • Deutschen Evangelischen Kirchentag am 7.-11. Juni 2023 in Nürnberg.

-jSc-

­