Sichtlich überrascht vom vergleichsweise großen Zuspruch auf den Gesprächsabend „1700 Jahre Nicäa“ war ACK-Vorsitzender Christoph Schmitter. Zum Jubiläum des denkwürdigen Jubiläums hatte die ACK (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen) in Würzburg Anfang Juni 2025 ins Ökumenische Zentrum Würzburg-Lengfeld eingeladen.
Die bunte Gruppe aus rund 40 Teilnehmenden, darunter Gläubige aus der evangelisch-lutherischen, katholischen, griechisch-orthodoxen, äthiopischen, neuapostolischen und altkatholischen Kirche sowie von Freien Evangelischen Gemeinden, sah sich zunächst mit scheinbar einfachen Fragen konfrontiert: „Warum war das Konzil von Nicäa im Jahr 325 für die Christenheit von so herausragender Bedeutung? Was haben wir heute damit zu tun? Und sind gemeinsame Bekenntnisse des Glaubens heute überhaupt noch wichtig?“ Die Antworten auf diese Fragen waren ungleich schwieriger.
Pfarrer Dr. Harald Fritsch (kath.), der neuapostolische Ruhestandspriester Andreas Lehmann und der orthodoxe Erzpriester Martinos Petzolt gaben erste Einblicke und beleuchteten das Thema aus je ihrer Perspektive.
Kaiser Konstantin, der sich zum Christentum bekannt hatte, berief 325 n. Chr. das Konzil in Nicäa (heute İznik, Türkei) bei Byzantion (heute Istanbul) ein. Ziel war eine Einigung unter den Bischöfen des Reiches zur Sicherung des Friedens. Zentraler Streitpunkt war die Frage nach der Natur Jesu‘ und seiner Stellung gegenüber Gott dem Vater und dem Heiligen Geist – oder: Wie kann man drei Personen als einen einzigen Gott denken? Aber auch eine einheitliche Regelung zum Osterdatum stand auf der To-do-Liste. 200 bis 300 Bischöfe, vor allem aus dem Osten des Reiches, folgten dem Aufruf. Eines der wichtigsten Ergebnisse des Konzils ist nach einhelliger Meinung das so genannte „Bekenntnis von Nicäa“ (in der kath. Kirche Großes Glaubensbekenntnis), nicht zu verwechseln mit dem Apostolicum (Kleines Glaubensbekenntnis). Bis heute wird das Nicäaum von den meisten christlichen Kirchen anerkannt und gilt deshalb als einheitsstiftend.
Harald Fritsch erinnerte daran, dass das Bekenntnis von Nicäa in seinem Ursprung auf das Taufbekenntnis zurückgehe und „Vergewisserung der eigenen und der gemeinsamen Identität“ zugleich sei. Die kontroverse Konzils-Frage habe sich vor allem darum gedreht, wie Gott Vater und Sohn zueinander stehen. Denn der Sohn – wenn er wirklich der Erlöser ist – könne nicht weniger sein als Gott Vater, so Fritsch. Vater und Sohn seien demnach „nicht zwei Götter, sondern im Wesen eins und zugleich in der Person verschieden“. Damit habe das Konzil die Weichen für das bis heute gültige Verständnis gestellt, nämlich: „Beziehung und Liebe sind der eigentliche Kern des Göttlichen“ und „auch wir Heutigen sind Teil dieser Beziehung“. Dass das Apostolicum in der katholischen Kirche heute geläufiger ist als das Bekenntnis von 325 begründete Fritsch mit Tradition und Praktikabilität.
Der neuapostolische Ruhestandspriester Andreas Lehmann berichtete anhand zahlreicher Beispiele, dass das Glaubensbekenntnis von Nicäa in Praxis und Liturgie der neuapostolischen Kirche kaum eine Rolle spiele. Dennoch erkenne die neuapostolische Kirche das Bekenntnis ausdrücklich an und verstehe es als Basis und Verbindung zu den anderen christlichen Kirchen.
Für die griechisch-orthodoxen Christen ist das Glaubensbekenntnis „ein tägliches und sehr vertrautes Gebet“, so der orthodoxe Erzpriester Martinos Petzold. „Das Große Glaubensbekenntnis kennen alle Gläubigen auswendig und es wird zwei Mal am Tag gebetet“ – und das, obwohl der Text denkbar „unpoetisch“ sei. Wesentliche Erkenntnisse von Nicäa sind auch für Petzold die Wesensgleichheit von Gott Vater, Sohn und Geist (Trinitätslehre) sowie die Betonung der Relationalität: „Gott ist Beziehung. Und der Mensch ist wie Gott auf Beziehung angelegt und kann nur so Erfüllung finden.“
Bei den Zuhörenden lösten die komplizierten theologisch-dogmatischen Erläuterungen vor allem die Frage nach der Bedeutung für das Leben im Hier und Heute aus. Wer fragt uns denn heute noch nach einem Bekenntnis? Und helfen Bekenntnisse in den konkreten Lebenssituationen von Liebe, Tod, Trauer, Freude und Verlust oder bei den gesellschaftlich-ethischen Problemen weiter? Eindeutige Antworten auf solch große Fragen gab es freilich nicht, aber gleichwohl eine Richtung: „Das Leben fragt mich, was ich glaube und was ich vom Leben halte“, äußerte eine Teilnehmerin. Das Glaubensbekenntnis sei hier „ein Werkzeug“, das sich aus der Geschichte des Christentums entwickelt hat, so eine andere. Im Alltag gehe es aber vor allem um eins: nämlich das aktive Tun und das Leben in Beziehung.
Anja Legge