Am Mittwoch, den 8. Oktober wurde es wieder still im Herzen von Lengfeld. Seit dem 2. September waren rund 200 Flüchtlinge, überwiegend aus Syrien und Afghanistan, in der Kürnachtalhalle untergebracht. Nun sind die letzten Asylsuchenden in das Marie-Juchacz-Haus in der Zellerau umgezogen, die zur Notunterkunft umfunktionierte Halle wurde wieder zurückgebaut und steht nun wieder für sportliche Aktivitäten zur Verfügung.
Für den städtischen Ehrenamtskoordinator Burkard Fuchs war das Weiterziehen der Flüchtlinge Anlass genug, seinen Dank für die Gastfreundschaft der Lengfelder auszusprechen. Er habe hier eine „ungeheure Hilfsbereitschaft“ und „Warmherzigkeit“ erlebt, so dass sich die Flüchtlinge in Lengfeld sehr wohl gefühlt hätten. „Das war unglaublich und setzt Standards für andere Stadtteile“, so Fuchs.
Während des gesamten Zeitraums vor Ort waren die städtischen Mitarbeiter Kilian Bundschuh und Natali Soldo-Bilac. Sie standen beinahe rund um die Uhr und für alle Fragen und Probleme zur Verfügung, und zwar den Flüchtlingen ebenso wie den ehrenamtlichen Helfern. Bundschuh und Soldo-Bilac gaben den Dank an die zahlreich anwesenden Helfer weiter: „Das größte Dankeschön haben Sie alle selbst erlebt, nämlich in den Momenten, wenn Menschen nach Monaten wieder gelacht, Kinder selbstvergessen gespielt haben oder aus dem „Thank you“ langsam ein „Dankeschön“ wurde. Beiden habe es „eine Riesenfreude gemacht“, mit den Lengfeldern zusammenzuarbeiten. „Es hat zwar viel Kraft gekostet, aber die Energie hatte ich von Euch!“, so Bundschuh.
Beeindruckend vielfältig war in der Tat das Hilfsangebot in den vergangenen Wochen. Direkt nach Ankunft der Flüchtlinge hatten sich aus dem Stand mehrere ehrenamtliche Gruppen gebildet: Die Frühstücks- und Cafeteria-Gruppe sorgte für ein leckeres Frühstück, einen heißen Tee oder ein Gebäckstück zwischendurch. Die Abendessengruppe stand allabendlich zur Essensausgabe bereit, schenkte ein Lächeln, knüpfte Kontakte. Die Freizeitgruppe machte Angebote vom Clownbesuch über Minigolf bis hin zu Joggen und Stadionbesuch. Im Kinderspielzimmer konnten Kinder unbeschwert lachen, spielen und basteln. Die Kleidergruppe stattete die Bewohner dank zahlreicher Spenden mit Wäsche und Bekleidung für die nächsten Monate aus. Die Wäschegruppe kümmerte sich um das Waschen und noch so manch andere Wehwehchen. Die Mobilitätsgruppe chauffierte die Bewohner zu Arztbesuchen und Behörden und nahm dabei so manche Angst. Die Deutschunterricht-Gruppe machte es möglich, dass die Flüchtlinge von morgens bis abends und in Kleinstgruppen Deutsch lernen konnten.
Ein großes Dankeschön ging auch an die Security, den Caterer Opitec, die Arztpraxis Dr. Heppner & Dr. Hellmuth, den TSV Lengfeld und die Lengfelder Kirchengemeinden, die „sofort und mit großer Offenheit und Hilfsbereitschaft zur Stelle waren“, so Fuchs. Darüber hinaus haben zahlreiche Firmen, Gruppen, Vereine, und Einzelpersonen die Arbeit mit großzügigen Spenden aller Art unterstützt.
Sozialreferentin Dr. Hülya Düber zeigte sich tief beeindruckt vom Lengfelder Engagement. „Das, was Sie hier geleistet haben, ist ein Vorbild dafür, wie es überall laufen sollte. Das hat auch mir viel Kraft gegeben und dafür sind wir ihnen im Sozialreferat unendlich dankbar!“ Der Verärgerung und Enttäuschung über die rasche und für manchen nicht nachvollziehbare Weiterverlegung begegnete Düber offen und klar. Ihr sei sehr bewusst, dass das aktuelle System schwierig sie und einen Abbruch geknüpfter Beziehungen bedeute. Faktisch seien der Stadt jedoch die Hände gebunden. „Es gibt gesetzliche Vorgaben zur dauerhaften Unterbringung.“ Zugleich hält auch Düber das aktuelle System für überholt und nicht mehr praktikabel. „Die bestehenden Strukturen kommen aus Zeiten mit weit geringeren Flüchtlingszahlen“, so die Sozialreferentin. Die aktuelle Situation sei aber mit diesen Strukturen nicht mehr händelbar, man befände sich „im Krisenmodus“. Auch die Stadt Würzburg sei „am Limit ihrer Kapazitäten“. Die einzige Möglichkeit an diesem System etwas zu ändern, sei zu signalisieren, dass man die aktuellen Gegebenheiten für nicht richtig halte, und bei der Landesregierung auf Änderung zu drängen. Genau das tue die Stadt Würzburg immer und immer wieder, versprach Düber.
Das Versprechen, sich auf Landesebene für eine Änderung des Verfahrens einzusetzen, kam auch von Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Für ihn war es „sensationell, was Ihr Stadtteil in den vergangenen sechs Wochen geschaffen hat, und zwar sowohl mit den Flüchtlingen, die neu in unser Land gekommen sind, als auch untereinander.“ Es sei ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entstanden, das befähigt habe, gemeinsam eine Aufgabe anzunehmen. „Unterschiedlichste Menschen waren geeint vom Willen, Menschen in Not zur Seite zu stehen. Bewahren Sie sich das für Lengfeld! Das ist wichtig für unsere Stadt und unser Land!“ „Riesensorgen“ bereiten ihm hingegen die Diskussionen, Kritik und die Vorurteile. „Hier wird Brandstoff gesammelt!“, so Schuchardt. Es gehe nicht darum, Menschen bis zum Abwinken aufzunehmen. Grundwerte wie das Asylrecht seien jedoch im Grundgesetz verankert. „Hier müssen wir zusammenstehen, und denen, die anders unterwegs sind, selbstbewusst begegnen!“
Anja Legge