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Wie geht’s weiter mit der Lengfelder Thesentür? –

Viereinhalb Monate stand die Lengfelder Thesentür im Hof des Ökumenischen Zentrums. In Erinnerung an Martin Luthers Thesen-Anschlag vor 500 Jahren konnten Vorüberkommende dort das anschlagen, was sie heute umtreibt. Regelmäßig wurden die Thesen erfasst und dokumentiert. Jetzt hat das Thesentür-Team gemeinsam mit den beiden Pfarrern Christoph Lezuo und Dr. Harald Fritsch das Material gesichtet, aufbereitet und an einem Themenabend präsentiert.

 Mit 114 erfassten Thesen habe das Angebot „erfreulich großen Anklang gefunden“, erklärte der Vorsitzende des ÖZ-Freundeskreises Josef Theo Kellerhaus. Menschen aller Altersgruppen haben Fragen, Bitten, Sorgen und Wünsche angeschlagen, aber auch konkrete Anregungen und ausgefeilte Statements. Den Löwenanteil mit 69 Thesen machten persönliche Fürbittanliegen aus, gefolgt von Anliegen zu Gottesdienst und Gemeindeleben (25), Konzepte von Kirche (13) sowie gesellschaftlich-stadtpolitische Anliegen vor Ort (7). Angesichts der Fülle stelle sich nun die Frage, „wie wir mit den Thesen weiter verfahren“, so Kellerhaus weiter.

Für eine erste Annäherung wurden die 35 Besucher aufgefordert, mit Hilfe von Klebepunkten persönliche Schwerpunkte zu setzen. Die Themen, bei denen es Häufungen gab, wurden in Kleingruppen weiterbearbeitet und werden dann den Gemeinde-Gremien zur Weiterarbeit vorgelegt.

Ein wichtiges Thema für viele war die Frage nach der Reaktion auf die schwindende Bedeutung der Volkskirchen: Ein Teilnehmer formulierte die Sorge, „dass wir uns im Rückzug zu sehr mit uns selber beschäftigen“. Bräuche und Rituale, aber auch Sprache und Symbole seien schon heute „nur noch für Insider verständlich“. Statt selbstzufrieden in der Wohlfühlecke zu verweilen, müsse man deutlich machen, „dass das, was Kirche zu sagen hat, brandaktuell ist“ und „das Evangelium verändernde, befreiende, erlösende Kraft besitzt“. Gefordert wurden mehr Glaubwürdigkeit und die Übereinstimmung von Ritual und Lebenspraxis, auch durch eine menschennahe Sprache. Darüber hinaus sollten soziologische Studien stärker genutzt werden, um zu sehen, wie Kirche den Menschen dienen kann.

Über Unterschiedlichkeit und Einheit in der Gemeinde machte sich eine zweite Arbeitsgruppe Gedanken. Hier dürfe man „nicht nach Sympathie und Antipathie sortieren“, sondern es dürfe „einzig zählen, dass der Andere gleich mir in Christum getauft und von ihm angenommen worden ist“, hieß es. Unterschied­liche Positionen seien bereichernd und „bringen uns voran“. Darüber hinaus zeige die Erfahrung, dass vor allem das gemeinsame Handeln wie beim ÖZ-Fest oder der Aufnahme von Flüchtlingen zur Einheit führe.

Ein Thema, das allen Anwesenden unter den Nägeln brannte, war der Wunsch nach einer gemeinsamen Osternacht und der Mahlgemeinschaft von katholischen und evangelischen Christen. Pfarrer Dr. Harald Fritsch erinnerte an bereits Erreichtes in der Ökumene und verdeutlichte, dass es für eine Mahlgemeinschaft „eine eigene, lebendige Spiritualität“ brauche. Die gemeinsame Osternacht sei „ein Projekt, das weiterzuverfolgen ist, jedoch der Zustimmung der Kirchenleitung bedarf“.

Ein Anliegen war vielen auch die „Rolle der Frau in der Kirche“. Den Graben durch die Konfessionen  könne man nicht wegdiskutieren; doch müsse die Frage erlaubt sein, warum eine Ordensoberin trotz Theologiestudiums nicht beim Schulgottesdienst predigen darf, so eine Teilnehmerin. Dringender Wunsch sei deshalb die Zulassung der Laienpredigt.

Die Arbeitsgruppe „Kinder, Jugend und Familien“ konstatierte, dass Kirche für viele junge Menschen keine Relevanz mehr habe: „Kirche hat offenbar keine Antworten mehr für die Jugendlichen.“ Viele fühlten sich nicht ernst genommen, spezielle Angebote würden kaum oder gar nicht genutzt. Hinzu komme eine kaum noch verständliche Sprache. Veränderung wiederum setze die Bereitschaft aller voraus, Neuerungen anzunehmen und diese als Chance zu empfinden. Ansatzpunkte könnten Musik aus der Jugendszene oder die Taizé-Spiritualität sein. Konfirmanden und Firmlinge müssten zudem auch nach dem Fest begleitet werden.

Ein weiterer Themenbereich war das „Christliche Zeugnis in Welt und Gesellschaft“. „Christen müssen ihren Glauben öffentlich bekunden und verantwortungsbewusst handeln“, hieß es – durch Unterstützung des Fairhandels und die Partnerschaft mit Pacoti ebenso wie durch politisches Engagement. Schon ganz kleine Schritte seien wichtig, auch vor Ort gebe es genug zu tun, machte die Arbeitsgruppe mit Blick auf das Nachbarschaftsprojekt „Eine Stunde Zeit“ deutlich.

Anja Legge

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