ÖZ-Sommerfest 2016 – „... hier hat jeder einen Platz“ unter diesem Motto feierten die Lengfelder am 23. und 24. Juli 2016 gemeinsam mit Besuchern aus anderen Stadtteilen und Flüchtlingen ihr jährliches ÖZ-Sommerfest.
Angesichts der aktuellen Anschläge bezeichnete der evangelische Pfarrer Christoph Lezuo das Fest als „Bestärkungsmittel zum Schutz gegen die Angst und das Misstrauen“. „Der Platz, den wir anderen Menschen anbieten, ist das beste Mittel gegen unsere Angst“, so Lezuo zu Beginn des Ökumenischen Eröffnungsgottesdienstes am Samstagabend, der vom Kirchenchor St. Laurentius und Lioba musikalisch gestaltet wurde. Wie die Menschen am Freitag des Amoklaufs in München wolle auch die Kirche in Lengfeld „offene Türen haben, über die Grenzen der Nationen, Kulturen und Religionen hinweg“, sagte Lezuo im Namen beider Kirchengemeinden und seines katholischen Amtskollegen Pfarrer Dr. Harald Fritsch.
Auch die Festpredigt der evangelischen Dekanin Dr. Edda Weise stand ganz unter dem Einfluss der Angst vor Terror. Wenn man höre, was Paulus im Brief an die Philipper über seine Berufung sagt, könne einem schon „mulmig zumute werden“, so Weise. Alles, was ihm vorher wichtig gewesen sei, erachte er jetzt als Dreck, heißt es sinngemäß im 3. Kapitel (Phil 3,7-8). „Auch die Attentäter haben alles beiseite geschoben, was ihnen bisher wichtig war“, verglich Weise, „sie sahen im Auftrag ihres Gottes nur Tod und Rache, wollten töten, um in Angst und Schrecken zu versetzen.“
„Mit Paulus ist kein einfacher Mensch in unserer Mitte, aber vielleicht der richtige“, zeigte sich die Dekanin dennoch überzeugt und beschrieb die „radikale Lebenswende des Feuerkopfes Paulus“: Nachdem er Jesus und seine Gefolgschaft zunächst verurteilt und gejagt hatte, wurde er in der Begegnung mit dem Auferstandenen von einer tiefen Erkenntnis ergriffen; aus dem Verfolger wurde ein „ein Botschafter dieses Gottes, der in Jesus Christus Mensch geworden ist“. Statt den Weg der Gewalt weiterzugehen sei Paulus zu einem „leidenschaftlichen Gesandten Gottes“ geworden, „zu einem Apostel auf dem Weg der Versöhnung und der von Gott geschenkten Gerechtigkeit“.
Paulus habe sich gerade nicht mit Gewaltherrschern identifiziert, „sondern mit dem, der für andere am Kreuz gestorben ist“: „Paulus schlägt den Weg der Nachfolge, des Mitleidens und der Gewaltlosigkeit ein“, machte Weise deutlich. Beim Blick auf den „Apostel der Heiden“ müsse deshalb niemandem mulmig werden, im Gegenteil: Paulus mache Mut zur Nachfolge. „Er macht uns zu Botschaftern der Versöhnung!“ Gerade im Moment sei das nicht immer einfach, gab Edda Weise zu und ermutigte deshalb umso mehr, auf Menschen zuzugehen, als Christen eindeutig und klar zu sein und sich für Versöhnung und Frieden einzusetzen.
Josef Theo Kellerhaus dankte Edda Weise für ihre „aktuelle und einfühlsame Predigt“. In erfrischender Kürze habe sie Paulus auf den Punkt gebracht, lobte er in Vorfreude auf Bratwurst und belegte Brötchen. Zum Dank überreichte der Vorsitzende des ÖZ-Freundeskreises, der das Fest alljährlich ausrichtet, das Familienspiel Wikingerschach. Dieses eigne sich übrigens auch zum Einsatz im beruflichen Umfeld, denn: „Auch da gibt es manchmal Figuren, die man am liebsten aus dem Weg kicken würde“, so Kellerhaus mit einem Augenzwinkern.
Der Sonntag begann mit einem katholischen und einem evangelischen Festgottesdienst sowie einem ökumenischen Kindergottesdienst. Anschließend sorgten rund 200 Helfer für ein gelungenes Fest bei Speis und Trank und einem reichhaltigen Unterhaltungsprogramm im Innenhof des Ökumenischen Zentrums, in der Schlossmühle und vor der Kürnachtalhalle. Kinder und Jugendliche konnten beispielsweise bei einem Flohmarkt ein- und verkaufen, bei der ÖZ-Rallye einen Kinogutschein gewinnen und sich bei Slackline, Pedalos, Spielstraße und Kinderschminken vergnügen. Außerdem lud die Lengfelder Puppenbühne zu einem neuen Stück mit dem Kasper. Darüber hinaus informierten verschiedene Lengfelder Gruppen und Initiativen über ihre Aktivitäten. Zu einem echten Fest der Begegnung, bei dem „jeder einen Platz“ hat, wurde das Sommerfest dank der Mitwirkung von Flüchtlingen, die im vergangenen Herbst in Lengfeld aufgenommen und nun in dezentralen Unterkünften untergebracht sind: Gemeinsam mit dem AK Integration boten sie internationale Spezialitäten an, während der syrische Musiker Hussein Mahmoud die Festbesucher mit der Saz, einer Langhauslaute aus dem Orient, verzauberte und so Angst und Misstrauen zunichte machte.
Anja Legge