Auf dem Weg zur Firmung –
Freitag Abend, 18.30 Uhr: 18 Jugendliche und vier Erwachsene stehen fröstelnd an einer Bushaltestelle in Würzburg-Lengfeld und warten auf den Reisebus, der die Gruppe nach Münsterschwarzach bringen soll. Auf dem Programm steht die „Nacht der Versöhnung“ – ein Angebot der Jugendarbeit „Junges Münsterschwarzach“ und der „Katholischen Jugendarbeit – Regionalstelle Kitzingen“. Insgeheim hoffen wohl so einige der Firmlinge, dass der Bus einfach nicht kommt, und sie, statt den Abend in der Kirche zu verbringen, gemütlich auf dem Sofa lümmeln können. Doch dann biegt der Bus doch um die Ecke.
Julia Kopf kennt das Genörgel der 14- und 15-jährigen Schüler schon… „Darüber muss man einfach hinweghören“, lacht die Pastoralreferentin, die bereits ihren dritten Firmkurs leitet. Zumal „Versöhnen, verzeihen, vergeben“ ein Thema sei, auf das auch so mancher Erwachsene „verständlicherweise nicht so riesig Lust“ habe.
Dennoch weiß die 34-jährige genau was sie tut, wenn sie mit ihren Firmlingen zu einem solchen geistlichen Angebot fährt. Schon in den vergangenen Jahren hat sie mit den Jugendlichen einen Tag der Versöhnung in der Pfarrei gefeiert. „Trotz anfänglicher Skepsis haben die jungen Menschen dabei immer wieder gute Erfahrungen gemacht, berichtet sie. Die innere Scheu, die eigene Trägheit und Abwehrhaltung zu überwinden, löse bei vielen ein Gefühl der Gelassenheit, ja innerer Freude aus, bestätigt auch eine Mutter, die ihr viertes Kind zur Firmung begleitet.
Zur „Nacht der Versöhnung“ in Münsterschwarzach fährt Julia Kopf mit den Firmlingen zum ersten Mal. „Die Idee, dieses Angebot wahrzunehmen, ist im Arbeitskreis Firmung des Dekanats Würzburg entstanden“, berichtet sie. Der bereits seit einigen Jahren bestehende Zusammenschluss setzt sich aus Menschen zusammen, die im Würzburger Stadt-Dekanat in der Firmpastoral tätig sind – von der Innenstadt über Versbach, Lengfeld, Grombühl und Frauenland bis hin zu Mainviertel, Heidingsfeld und Heuchelhof. „Damit die Jugendlichen ein bisschen über den eigenen Tellerrand hinausschauen und spüren, dass nicht nur ihr kleiner Haufen, sondern sehr viele Jugendliche sich für das Christentum entscheiden, haben wir beschlossen, die ein oder andere Aktion künftig gemeinsam anzupacken“, so Kopf weiter. Neben dem gemeinsam Besuch der Nacht der Versöhnung hat man sich für eine gemeinsame Auftaktveranstaltung entschieden: Beim so genannten „Firmevent“ im Kilianeum lernen die Jugendlichen nicht nur einander besser kennen, sondern gleichzeitig die Würzburger Jugendkirche. Darüber hinaus erlaube „die geballte Power des Vorbereitungsteams so manche Aktion, die alleine kaum zu stemmen ist“, so Kopf über die Vorteile des Konzepts.
Als der Bus aus Lengfeld in Münsterschwarzach ankommt, stehen bereits mehrere andere Reisebusse auf dem weitläufigen Parkplatz. Von allen Seiten strömen laut schwatzende Jugendliche auf die im Dunkeln liegende Abteikirche zu. Doch sobald die mächtige Tür hinter den Eintretenden zufällt, verstummt das Geplauder für kurze Zeit. Die Stimmung in dem von hunderten von Kerzen erleuchteten Gotteshaus ist überwältigend – „und das spüren auch die Jugendlichen“, beobachtet Julia Kopf.
Wie auf einer erleuchteten Flugzeug-Landebahn zieht es die Ankommenden nach vorne in den Altarraum. Dann lassen sich die Lengfelder gemeinsam mit über 500 jungen Menschen aus Würzburg, Kitzingen, Schweinfurt und sogar den Hassbergen auf dem Boden und im Chorgestühl der Mönche nieder. Mit alten Mönchs-Ritualen und Psalmen, mit jungen Gebeten und moderner Musik will das Vorbereitungsteam die Jugendlichen zur inneren Ruhe führen. Es dauert, bis die letzten Gespräche verebben. Doch spätestens als Pater Jesaja mit einem leuchtenden Jedi-Schwert am Altar steht und den überraschten Jugendlichen erklärt, was Versöhnung mit Star Wars zu tun hat, ist es still. „Gott liebt mich so wie ich bin, bei ihm muss ich keine Rollen spielen, Masken tragen und Erwartungen erfüllen. Ihm kann ich vertrauen, er geht jeden meiner Wege mit, er macht mich frei von allen Lasten.“ Viele der Jugendlichen sitzen ganz in sich versunken da, die Worte des Benediktinerpaters kommen offensichtlich an.
Derart vorbereitet fällt es dann auch nicht mehr ganz so schwer, die verschiedenen Angebote wahrzunehmen, um innere Lasten los zu werden und zu versöhnten Menschen zu werden. Viele sitzen anfangs etwas zögerlich in der Kirche, lauschen den Taizé-Liedern und summen leise mit, dann entzünden die ersten still eine Kerze, notieren ein Anliegen auf einem kleinen Zettel und stecken diesen in die Ritzen der eigens aufgebauten Klagemauer aus Backsteinen. Bald werden auch das Weihrauchritual, bei dem die inneren Wunden in Wohlgeruch verwandelt werden sollen, und die persönliche Segensspendung immer stärker angenommen. Auffällig dabei: Gerade die Mitarbeiter in Mönchshabit oder Priestergewand erfreuen sich besonderer Beliebtheit. Der ein oder andere Jugendliche führt sogar ein kurzes seelsorgliches Gespräch oder nimmt das Angebot der Beichte wahr.
Auf der Rückfahrt nach Würzburg wirken die Jugendlichen ruhig und gelöst. „Es war viel besser, als ich gedacht hatte“, sagt ein Mädchen. Und auch der junge Mann, der den Abend auf dem Sofa vorgezogen hätte, wirkt innerlich berührt. „Jeder hat sich das herausgepickt, was ihm liegt. Und ich denke, die meisten haben etwas für sich mitgenommen“, bilanziert Julia Kopf.
Reaktionen wie diese wünschen sich die Firmbegleiter für ihre Jugendlichen. Denn: „Firmpastoral ist wesentlich Beziehungsgeschehen und soll bestärkenden Charakter haben“, begründet Kopf. Ganz bewusst befasst sich die Vorbereitung deshalb vor allem mit dem Leben der jungen Menschen – mit all seinen Fragen, Herausforderungen, Um- und Aufbrüchen. Im Sinne einer „Bekräftigung“ will die Firmung (von lat. firmatio) neue Impulse für den Glauben geben, die jungen Menschen für ihren Lebensweg stärken und zu einem Leben in der Gemeinschaft ermutigen. Deshalb geht es bei der Vorbereitung eben nicht nur um die theoretische Auseinandersetzung mit dem Glauben, sondern um das Erleben und Gestalten sowie die ganz konkrete Umsetzung als Christen im Alltag. Spaß, Spiel und Gemeinschaft kommen dabei ebenso zum Zuge wie das Nachdenken über den eigenen Lebensweg, Jugend-Gottesdienste, ein Sozialprojekt – ein Nachmittag im Pflegeheim oder bei der Bahnhofsmission – sowie die Teilnahme an einem Gemeindeprojekt (Sternsinger, Eine-Welt-Verkauf).
Ziel der ganzen Anstrengungen ist für Julia Kopf vor allem, dass die Jugendlichen gute Erfahrungen machen: „Gute Erfahrungen mit Kirche, Gemeindemitgliedern und pastoralen Mitarbeitern, gute Erfahrungen mit und in der Gemeinschaft, und natürlich gute Glaubenserfahrungen“, konkretisiert sie. „Wenn die Jugendlichen erleben, dass Glaube nicht nur der in ihren Augen verstaubte Sonntagsgottesdienst ist, sondern etwas mit dem Leben zu tun hat und auf verschiedene Weisen gelebt und gestaltet werden kann, dann haben wir ganz viel erreicht. Wenn sie dann noch spüren, dass sie immer wieder bei der Kirche andocken können und willkommen sind, dann hat Kirche eine Zukunft!“
Anja Legge