Festgottesdienst zum 42. Weihetag des ÖZ und 40 Jahre "Freundeskreis des Ökumenischen Zentrums" –
„Alle unter einem Dach“ – unter diesem Motto begingen evangelische und katholische Christen am 10. Dezember 2017 den 42. Weihetag des Ökumenischen Zentrums und den 40. Geburtstag des Freundeskreises. Wie auch schon in den vergangenen Jahren konnten Pfarrer Dr. Harald Fritsch und Pfarrer Christoph Lezuo auch heuer wieder einen Festprediger begrüßen: Zu Gast war diesmal Domkapitular Thomas Keßler, derzeit ständiger Vertreter des Diözesanadministrators. Für begeisternde Musik am Festtag sorgte das Fagott-Ensemble Windessez mit Fabian Schaidt, Christian Jackel und Jörg Schöner.
Eine „herbe Lesung“ habe das ökumenische Vorbereitungsteam mit dem Ausschnitt aus dem Buch Jeremia (Jer 22, 1-5) herausgesucht, gab Domkapitular Keßler in seiner Predigt zu bedenken: „Religiöses Kuscheln geht anders!“ Und doch sei es „gut und mutig, sich gerade diesem biblischen Wort zu stellen“.
Der Text des alttestamentlichen Propheten versetzt die Zuhörer in den Januar oder Februar des Jahres 597 vor Christus. Die politische Luft habe zu dieser Zeit gebrannt, illustrierte Keßler: Jojakim, König des verbliebenen Südreichs Juda, wollte Nebukadnezar und den Babyloniern Paroli bieten. Gerecht und sozial ging es indes auch in Jojakims Reich nicht zu: Die Armen wurden immer ärmer, das politische System war korrupt und die Menschen überhörten Gott. „Gäbe es da nicht die religiöse Nervensäge namens Jeremia, der alles tut, um sich unbeliebt zu machen, und der als Stimme Gottes in der damaligen Zeit auftritt“. Seine Warnungen habe Jeremia bisher im Tempel verkündet, also „dort wo ein Prophet nach Meinung der Menschen hingehört. Doch Gott denkt anders, so Keßler: „Er schickt Jeremia raus aus dem Tempel und runter in die Stadt, dorthin, wo die politische Musik spielt.“ Jeremia folgt dem Ruf Gottes und stellt sich gegen den moralischen und sozialen Verfall. „Nur wenn ihr gerecht seid, habt ihr als Herrscher eine Zukunft“, verkündet er und verbindet seinen Rat mit einer eindringlichen Warnung: „Wenn ihr so weitermacht, ist es das Ende!“
Auch heute, 2500 Jahre nach Jeremia, seien viele Menschen offenbar immer noch der Ansicht, dass Kirche in die Kirche gehöre und nicht in die politische Debatte. Folgt man dem Lesungstext, will Gott jedoch etwas anderes von uns: „Die Lesung stellt uns auf die Straße – zu den tatsächlichen Fragen der Menschen“, sagte Keßler. Gerade in einer Zeit, in der die Menschen zunehmend eigene Antworten auf konfessionelle Fragen suchen, „dürfen wir die Frage nach Gott nicht schuldig bleiben, sonst vergessen wir unseren Sendungsauftrag“. „Das Evangelium ist der Weg zu einem erfüllten Leben – und dafür stehen wir als evangelische und katholische Christen“, stellte Keßler klar. Propheten seien nicht nur eine Sache des Alten Testaments, sondern es sei auch unsere Aufgabe heute, „unsere Zeit im Licht des Evangeliums zu deuten und Stellung zu beziehen“.
Dass der Wind, der einem dabei ins Gesicht schlägt, zuweilen auch mit dem frischen Wind des Hl. Geistes zu tun haben kann, hat der Domkapitular selbst erlebt. Beispielhaft berichtete er vom Zusammenschluss der Rhön-Dekane mit der IG Metall und der Betriebsseelsorge im Jahr 2010, mit dem man gegen die Schließung des Siemens-Werks in Bad Neustadt aufbegehrte. „Sich ökumenisch an die Seite der Menschen zu stellen und mit anderen Gruppen zu kooperieren“, habe sich damals ausgezahlt. Das ÖZ in Würzburg-Lengfeld bezeichnete Keßler in diesem Zusammenhang als „Erfolgsgeschichte und Leuchtturmprojekt“. Er dankte allen, die sich in den vergangenen 42 Jahren engagiert haben und dies heute noch tun und ermutigte dazu, „diesen Weg weiterzugehen und prophetisch in Kirche und Gesellschaft hinein zu wirken“.
Der Vorsitzende des Freundeskreises des ÖZ Josef Theo Kellerhaus verglich die konfessionelle Vielfalt mit einer Reise in unbekannte Länder, „wo wir uns durch Tropenfrüchte am Frühstückstisch bereichert fühlen und uns bei Expeditionen ins Hinterland das Große und Ganze von Gottes Schöpfung bewusst wird“. Mit seinen derzeit 170 Mitgliedern ist der im Mai 1977 gegründete Verein bis heute ein wichtiger Impuls- und Ideengeber mit dem Ziel, die Ökumene zusammen zu halten und weiter zu tragen. Zu den Aktivitäten des Freundeskreises zählen unter anderem das ÖZ-Sommerfest, der jährliche Herbstausflug, die Ökumenischen Bibelgespräche, die Teilnahme an nationalen und internationalen Fachdebatten, das gemeinsame Mitteilungsblatt „Neues im Blick“ sowie die „Lengfelder Thesentür“ und das Banner „Reformation 2017 in Lengfeld ist Ökumene“ im Jubiläumsjahr. Mit seinem Engagement hat der Freundeskreis entscheidend dazu beigetragen, dass in Lengfeld nicht nur „gute freundschaftliche und spirituelle Beziehungen zwischen den beiden Konfessionen bestehen“, bekräftigte auch Pfarrer Dr. Harald Fritsch: „In Lengfeld ist die Gemeinschaft des Glaubens unumkehrbar geworden, weil sie nicht nur gedacht, sondern gelebt wird“.
Zum Dank überreichte Kellerhaus Domkapitular Keßler den „legendären“ ÖZ-Brötchenbeutel (für weitergehende Werbemaßnahmen) sowie eine Pferdebürste und Leckerli (für den passionierten Pferdefreund). Beim anschließenden Mittagessen, das die Ministranten gekocht hatten, hatten die Besucher dann ausreichend Gelegenheit zu Rückblick, Austausch und Ausblick.
Anja Legge