"Wir lieben es bunt!“ Unter diesem Motto feierten die Christen in Würzburg-Lengfeld am Samstag, 22. Juli und Sonntag, 23. Juli ihr diesjähriges ÖZ-Sommerfest.
Den Auftakt bildete wie jedes Jahr ein ökumenischer Eröffnungsgottesdienst am Samstagabend. Als Festprediger konnten Diakon Gregor Groß als Vertreter der katholischen Gemeinde und der evangelische Pfarrer Christoph Lezuo Domkapitular Dr. Helmut Gabel begrüßen; beschwingt musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst vom Kirchenchor St. Laurentius und Lioba.
„Wir alle sind Hausgenossen Gottes“, mit diesen Worten begrüßte Diakon Gregor Groß die versammelte Gemeinde im Heilig-Kreuz-Chor. Christoph Lezuo ergänzte diese, die Einheit der Christen unterstreichende Aussage um die Bitte, „den Reichtum, den wir aneinander haben, auch tatsächlich wertzuschätzen denn: Wir lieben es bunt!“
Festprediger Domkapitular Dr. Helmut Gabel beschrieb in seiner klugen und zum gedanklichen Mitgehen anregenden Predigt sechs Stationen seines eigenen ökumenischen Weges: Begonnen habe dieser „sehr unökumenisch“, so Gabel, nämlich mit einer Kindheit in einem geschlossen katholischen Dorf. Sehr deutlich erinnere er sich an die Warnung seiner Mutter, später „bloß keine evangelische Frau zu heiraten“. Damals habe er sich tatsächlich gefragt, ob Evangelische auch in den Himmel kommen, so Gabel. Die vor den Augen der Zuhörer erstehende Szene löste bei den Zuhörern spontanes Gelächter aus, doch „dieses Lachen zeigt, wie vieles sich seitdem entwickelt hat“, kommentierte Gabel.
Während seines Theologiestudiums habe ihm dann ein Professor für Kirchengeschichte ein sehr positives Bild von Martin Luther vermittelt. Er habe ihn als ernsthaft suchenden und ringenden Menschen beschrieben, dem es nicht um Spaltung, sondern um die Erneuerung der Kirche ging. „Ich habe damals vieles über Luther erfahren und gelernt: Man muss den anderen erst einmal kennen und wissen, was er wirklich glaubt“, blickte Gabel auf diese Erinnerung zurück.
Szene drei spielte sich während eines Praktikum vor der Priesterweihe ab: „Bei einer Frühschicht tauschten sich Jugendliche in Kleingruppen darüber aus, was ihnen die Eucharistie bedeutet. Ein Mädchen sprach dabei sehr intensiv. Sie war evangelisch“, berichtete Gabel. Anschließend habe man gemeinsam Eucharistie gefeiert. „Hätte ich dem Mädchen sagen sollen, dass ich ihr die Hostie nicht geben darf?“, fragte Gabel mit einem Kopfschütteln. Damals habe er gelernt, „dass es manchmal angebracht ist, nicht auf den Buchstaben des Gesetzes zu sehen, sondern mit pastoraler Klugheit zu handeln“.
In seiner Kaplanszeit erlebte Gabel dann, wie ein evangelischer und ein katholischer Priester um ein vertrauensvolles Miteinader rangen: Der katholische Priester habe seinen evangelischen Kollegen nicht zu einem ökumenischen Gottesdienst einladen wollen, weil er es einfach nicht konnte. Dies wiederum habe den Unmut der evangelischen Gemeinde erregt. „In dieser angespannten Situation hat ausgerechnet der evangelische Pfarrer die katholische Position verteidigt und das Miteinander gestärkt. Ich habe damals gelernt, wie wichtig Kommunikation, Wertschätzung und Verständnis sind“, betonte Helmut Gabel.
Das fünfte Erlebnis fällt in Gabels Zeit als Spiritual am Würzburger Priesterseminar. Bei einer Diskussion mit konservativen Seminaristen sei die provokative Frage gefallen, was „die dauernden Kompromisse mit den evangelischen Christen denn sollen“. Er habe zur Antwort gegeben, dass es nicht um Kompromisse gehe, sondern darum, „miteinander die Wahrheit zu suchen. Denn: Keiner hat die ganze Wahrheit, unsere Sicht ist begrenzt. Wir brauchen den anderen, um uns zu ergänzen, bereichern und aufmerksam machen zu lassen. Wir können viel voneinander lernen!“
Die jüngste Szene spielte sich schließlich im vergangenen Jahr ab. Nach Ansicht seines Gesprächspartners sei die Stelle des Ökumenereferenten am besten von einem Mitglied aus der Leitungsebene zu besetzen. Gabel habe entgegnet, dass er persönlich sich die Ausübung dieses Amtes überhaupt nicht vorstellen könne, „weil ich dauernd erklären müsste, warum etwas nicht geht, obwohl ich persönlich davon überzeugt bin, dass es gehen müsste“. „Wir müssen unseren binnenkirchlichen Blick weiten, gemeinsam nach draußen schauen und fragen, wo wir als Christen gefordert sind – ob das nun die Flüchtlingsfrage, Extremismus, Populismus und Terrorismus oder der Klimawandel ist“, führte Helmut Gabel aus. Damit war Gabel an dem Punkt angekommen, an dem er heute stehe: „Wir müssen uns fragen, wie wir miteinander unsere Verantwortung in der Welt wahrnehmen können. Wenn wir das tun, geben wir Zeugnis von Christus und dem, der sagt: Ich bin gekommen, damit sie das Leben in Fülle haben.“
Zum Abschluss des Gottesdienstes dankte der Vorsitzende des ÖZ-Freundeskreises Josef Theo Kellerhaus in gewohnt launiger Weise Domkapitular Gabel dafür, dass er „an den Rand der Bischofsstadt, aber ins Zentrum der Ökumene“ gekommen ist. Als kleines Dankeschön überreichte er zunächst „den beliebten ÖZ-Baumwollbeutel“, dessen Nutzung Kellerhaus allerdings mit zwei Auflagen verband: „Erstens: Gehen Sie mit dem Beutel Brötchen holen. Zweitens: Gehen Sie mit Brötchen und Beutel in die nächste Sitzung des Geistlichen Rats, damit wir beim Bischof nicht in Vergessenheit geraten.“ Seit 40 Jahren erflehe man nun schon die Eucharistiegemeinschaft für Menschen in konfessionsgemischten Ehen und ökumenischen Zentren. Außerdem gab Kellerhaus Gabel das Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ von Yuval Noah Harari mit auf den Weg – „getreu dem Motto: Man soll schenken, was einem selber gefällt“.
Kellerhaus dankte auch den vielen sichtbaren und unsichtbaren Helfern, die Jahr für Jahr zum Gelingen des ÖZ-Festes beitragen, indem sie Tische und Bänke stellen, für die Elektrik und das leibliche Wohl sorgen oder durch Musik und Tanz-Vorführungen erfreuen.
Nach dem Gottesdienst startete der Festbetrieb im Innenhof des Ökumenischen Zentrums. Der Sonntag begann mit zwei Festgottesdiensten in Heilig-Geist- und Heilig-Kreuz-Chor sowie einem ökumenischen Kinder- und Familiengottesdienst. Danach war wieder ein buntes Programm geboten mit Kinderflohmarkt, Slackline, Info-Ständen des Lengfelder Bürgervereins und der Einen-Welt-Gruppe, einem Solidaritätslauf für das Sudan-Projekt des Pfarrgemeinderates, Schminken und Spielstraße der Kindergärten des ÖZ, einer Ausstellung mit irischer Musik und afghanischen Tänzen der Einen-Welt-Gruppe sowie „Kaspers neuen Abenteuern“ von der Lengfelder Puppenbühne. Mit belegten Brötchen, Salatbar, Gegrilltem, Pommes, Waffeln, Stockbrot, Kuchen und internationalen Spezialitäten war auch für das leibliche Wohl bestens gesorgt.
Anja Legge